>> Expertentipp

Erfolg ist die Summe der richtigen Projekte.

„Inverstiere ich zukünftig in tragbare Digitalkameras oder optimiere ich meine Produktlinie für analogen Film?“ So oder so ähnlich könnte 1975 eine Frage in einer Management-Runde bei Eastman Kodak ausgesehen haben. Vielzitiert ist die damals getroffene Fehlentscheidung gegen die digitale Variante des klassischen Fotoapparats, die Kodak die Marktführerschaft gekostet hat. Wie gut eine Entscheidung war, stellt sich meist erst im Nachhinein heraus. Doch es gibt Methoden, mit denen man solche Entscheidungen gut vorbereiten und absichern kann.

Bewertung mit der Nutzwertanalyse

Den Kern der Projektauswahl bildet das Bewertungsverfahren für die Projekte des Projektportfolios. Hier sollten möglichst objektiv messbar alle relevanten strategischen Parameter einfließen. Behält man auf der anderen Seite den Wunsch nach einem schlanken, pragmatischen Prozess im Kopf, scheiden komlexe Berechnungsmodelle aus. Was bleibt?

  • Pro-Contra-Liste? Dies ist die einfachste Methode, die aber bei mehr als zwei Optionen schnell unübersichtlich wird.
  • Paarweiser Vergleich? Eine gute Methode, um mehrere Optionen schnell zu priorisieren. Jedoch erfolgt der jeweilige Vergleich eines Paares subjektiv.

In mittelständischen Unternehmen wird daher häufig die einfache Nutzwertanalyse eingesetzt. Mit der Nutzwertanalyse vergleichen Sie verschiedene Optionen strukturiert anhand von quantitativen und qualitativen Kriterien. Für jedes Kriterium wird vorab eine Punkteskala definiert. So lassen sich auch nicht messbare Kriterien in eine Zahl abbilden. Als Ergebnis erhalten Sie für jede der Optionen eine gewichtete Summe, die den sogenannten Nutzwert darstellt und dann einfach mit den jeweils anderen erzielten Nutzwerten in eine Rangfolge gebracht werden kann.

Vorgehen

  • Kriterien und Punktesakala festlegen
  • Gewichtung festlegen (die Summe der Einzelgewichtung muss 100% betragen)
  • Systematische Bewertung einzelner Möglichkeiten über strukturierte Punktevergabe
  • Rangfolgenfestlegung durch Sortierung der Einzelergebnisse (Nutzwerte)

Vorteile

  • Mit dieser Methode lässt sich nicht nur eine Entscheidung zwischen zwei Möglichkeiten treffen, sondern eine Prioritätenliste erstellen.
  • Ist das Scoring-Modell einmal gefunden, liefert die Bewertungsmethode transparent und strukturiert nachvollziehbare Ergebnisse für wiederkehrende Entscheidungsrunden.

Nachteile

  • Durch die Bewertung mit Punkten erweckt die Methode zwar den Eindruck einer Messung, sie setzt jedoch lediglich verschiedene Optionen zueinander in Relation. Das Ergebnis kann nicht als absolute Kennzahl betrachtet werden.
  • Die Qualität der Bewertung steht und fällt mit der Auswahl geeigneter Kriterien und einer passenden Gewichtung. Diese wiederrum ist subjektiv, wodurch auch das Bewertungsergebnis nicht als objektive Messung betrachtet werden kann.

Beispiel

Das Management-Team beschließt die Bewertung der neuen Projekte anhand der Kriterien „Innovationsgrad“, „Erweiterung von Marktanteilen“ und „Projektkosten“ vorzunehmen. Dabei ist die Erweiterung der Marktanteile das wichtigste Kriterium (60%), der Innovationsgrad das zweitwichtigste Kriterium (30%) und die Investitionskosten  am wenigsten wichtig (10%). Sie einigen sich auf folgende Skala:

Anhand der Skala bewerten sie die vorliegenden Ideen. Bei Innovationsgrad und Investitionskosten sind sich alle schnell einig. Mit Blick auf die Marktanteile befürchten sie, dass die Einführung einer digitalen Kamera einen Verlust von Marktanteilen im Bestandsgeschäft bedeutet. Sie kommen jedoch zu dem Konsens, dass diese durch die neuen Marktanteile für das neue Produkt ausgeglichen werden können. Auch für die Funktionserweiterung erwarten sie keine weiteren Marktanteile, sondern nur die Beibehaltung des Status Quo.

Ob 1975 die Entscheidung bei Eastman Kodak mit Hilfe der Nutzwertanalye so ausgefallen wäre, wissen wir nicht. Zumindest würde anhand der Nutzwertanalyse die Entscheidung auch heute noch transparent nachvollzogen werden.

Probieren Sie es doch selbst einmal mit der Planung des nächsten Sommerurlaubs aus. Tipp: Verwenden Sie mindestens 3 und maximal 10 Kriterien!

So finden Sie ein geeignetes Scoringmodell

Die Qualität eines Scoringmodells hängt von zwei Aspekten ab: der Definition geeigneter und klar formulierter Kriterien und der Festlegung der Gewichtung der Kriterien. Es ist darauf zu achten, dass die wichtigsten Kriterien klar formuliert in der Nutzwertanalyse berücksichtigt werden. Ist eine gut formulierte Strategie vorhanden, können die darin definierten wichtigsten Elemente als Kriterien verwendet werden. Gibt es eine solche Vorgabe nicht, lassen sich auch die wichtigsten Aspekte aus den Bereichen Markt, Kosten, Prozesse und Mitarbeiter verwenden.

 

Die Gewichtung der Auswahlkriterien zueinander ist die wesentliche Stellschraube des Scoring-Modells. Als wirksames Vorgehen für einen Plausibilitätscheck des Scoring-Modells hat sich ein nachträgliches Kalibrieren der Gewichtung erwiesen. Dazu kann z.B. eine frühere gute Prioritätenentscheidung genutzt und mit dem Scoring-Ergebnis verglichen werden. Gibt es hier deutliche Abweichungen, sollte das Scoring-Modell noch einmal entsprechend angepasst werden.

 

Und dann einfach mal den Testlauf wagen. Nehmen Sie die aktuell 20 wichtigsten Projekte und führen Sie eine Bewertung durch. Spiegelt das Ergebnis Ihre aktuellen Prioritäten wider oder macht Sie das Ergebnis bezüglich der Investitionen und des Nutzens nachdenklich?